Fabian Lehnert
Flurwald - ein Titel ist Programm
War das Treppenhaus zum KunstraumKunze in der Gifhorner Hindenburgstraße in den ersten eineinhalb Jahren seines Bestehens von weiß gestrichenen Wänden und einer Mittelscheibe in dem für die KunststiftungKunze typischen Bordeauxrot gekennzeichnet, so stellt es sich für die Besucher des Hauses heute als Erlebnisreise durch die Phantasiewelten des Fabian Lehnert dar.
Fabian Lehnert – aus Leipzig stammend, dort lebend und arbeitend – studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig, wo er unter anderem sein „Handwerk“ als Meisterschüler von Wolfgang Ellenrieder erlernte. Bereits während des Studiums entwickelte er eine besondere Affinität zur Region Braunschweig, Hannover, Wolfsburg, neuerdings Gifhorn eingeschlossen. Als Stipendiat der Druckwerkstatt der Städtischen Galerie Wolfsburg lernte Prof. Dr. Susanne Pfleger ihn und seine sehr individuelle künstlerische Handschrift kennen und schätzen. Sie war es, die dem Vorstand als Mitglied des Beirates der Kunststiftung Perdita und Hans-Peter Kunze den Künstler als potentiellen Kandidaten für eine noch zu definierende Förderung vorschlug. Den Ausschlag für ein gemeinsames Projekt gab Fabian Lehnerts Beitrag zur Kunststation Wolfsburg im Hauptbahnhof der VW-Stadt, wo er einen Aufenthaltsraum in eine Pflanzenwelt verwandelte und so den Reisenden in eine nahezu idyllische Szenerie entführte, die die übliche Hektik eines Bahnhof-Foyers vergessen ließ.
Damit stellte Fabian Lehnert ein weiteres Mal unter Beweis (zuvor hatte er bereits im Rahmen von Ausstellungen schlichten weißen Wänden mit seiner Kunst zu eigenständigem Leben verholfen), dass er komplette Räume malerisch beherrschen kann. So entwickelte sich die Idee, ihn mit der Ausmalung des besagten Treppenhauses zu beauftragen. Schon viele Jahre hatten sich Perdita und Hans-Peter Kunze mit dem Gedanken befasst, einen Raum in ihrem Umfeld von einer Künstlerin oder einem Künstler direkt gestalten zu lassen; ein eher persönliches Werk – nicht im Atelier entstanden, nach Fertigstellung erworben und an einen passenden Nagel gehängt –, dessen Vorbereitung und Entstehung sogar hautnah miterlebt wird; im weitesten Sinne ein Dauergemälde, ein wenig zurück zu den Ursprüngen der Raumgestaltung bevor Raufaser- oder Motivtapeten das Licht der Welt erblickten.
Für Fabian Lehnert war es das erste Mal, dass er sich an ein Treppenhaus heranwagte mit all seinen Ecken und Winkeln sowie der teilweise herausfordernd hohen Decke. Querschnitte des Architekten Holger Hörmann halfen ihm bei der räumlichen Einordnung und Verteilung seiner konzeptuellen Ideen. Allerdings waren dies mehr theoretische Übungen, die einem Herantasten an einer letzten Endes an Ort und Stelle sich entwickelnden Arbeit gleichkamen. Die Gestaltung des Treppenhauses mit einer von Flora, Fauna und viel Phantasie geprägten Welt nahm knapp drei Wochen in Anspruch. Dass er sich ganz und gar für einen recht präzise definierten Zeitrahmen auf das zu erarbeitende Werk konzentrieren konnte, wurde noch dadurch gefördert, dass er den Kunstraum selbst als Wohn- und Schlafstätte nutzte – erstmals in dieser Form von einem Künstler wahrgenommen.
Mit seiner nun öffentlichen Arbeit ist ihm hervorragend gelungen, den Grundgedanken des Projektes umzusetzen: die Besucher bereits vor Betreten des im Regelfall von Wechselausstellungen geprägten Kunstraumes schon beim Aufstieg auf eine etwas andere Welt einzustimmen, die eigene Welt hinter sich zu lassen und sich dem, was kommen soll, mit Freude und Erwartung zu nähern.
„Flurwald“, der Titel der Arbeit im Treppenhaus und einer parallel gezeigten Ausstellung mit Werken von Fabian Lehnert aus den vergangenen Jahren, ist das Ergebnis eines „kreativen Prozesses“ zwischen dem Künstler und den Eheleuten Kunze und nimmt für sich in Anspruch, den Flur (das Treppenhaus), die Motive (den Urwald) und die Anfangsbuchstaben des Künstlers (FL) widerzuspiegeln. So könnte man ohne allzu große Übertreibung feststellen, dass ein „Gesamtkunstwerk“ entstanden ist, an dem sich hoffentlich noch viele Besucherinnen und Besucher, ob alt oder jung, erfreuen werden.
Perdita und Hans-Peter Kunze